Zensiert! – Den Gürtel noch enger schnallen, Teil 3

Liebe Interessierte an der Kommunalpolitik,
Wenn Sie wie immer am Mittwochabend den Beitrag des PFB im Mitteilungsblatt Nr. 43-2025 der Gemeinde Kernen gelesen haben, werden Sie sich vielleicht gewundert haben, warum dieser nur aus 2 Sätzen bestand. Die Erklärung ist einfach: der große Rest wurde zensiert!
Wir dokumentieren untenstehend unseren Originaltext (alle Passagen in rot wurden zensiert), die Email der Gemeindeverwaltung mit der Zensurbegründung sowie unsere 2 Antwortschreiben an die Verantwortlichen des Mitteilungsblatts bzw. an den Bürgermeister. Eine Antwort auf diese Mails haben wir bis heute (23.10.2025, 1.13 Uhr) nicht erhalten.
Es ist einiges zu lesen, ist aber notwendig, um den dahinterliegenden Konflikt zu verstehen.

PFB-WählerInnenvereindigung für Mitteilungsblatt 43-2025 vom 22.10.2025

Den Gürtel enger schnallen? (3)
Fortsetzung von letzter Woche: Nun sollen Milliardenbeträge beim Bürgergeld (jetzt als „Grundsicherung“ bezeichnet) gekürzt werden.
Es ist richtig, dass bei staatlichen Transferleistungen MItwirkung eingefordert wird. Aber: Laut Institut für Arbeits- und Berufsforschung des Arbeitsamtes hatten wir 2024 5,5 Mio BürgergeldbezieherInnen. Davon 1,5 Mio arbeitsfähig. Unter letzteren gab es nur eine niedrige 2-stellige (!) Zahl vermeintlicher „Totalverweigerer“

Will heißen: Die Maßnahmen dienen vor allem als Drohkulisse für einkommensarme Menschen. Dabei sind diese in besonderem Maße von Preissteigerungen betroffen: Inflation bei Lebensmitteln seit der Vor-Corona-Zeit +37% (SZ, 26.9.25). Da macht es einen enormen Unterschied, ob Sie 500 oder 5.000 € im Monat zur Verfügung haben. Deshalb machte das PFB schon vor 2 Jahren den Vorschlag, dass die Gemeinde bei dieser Personengruppe die Busfahrt zu den Tafelläden in WN oder Endersbach bezuschusst. 
Wenn schon Missbrauchsdiskussion, warum legt dann die Regierung keine Vorschläge vor gegen die jährlich rund 100 Mrd € Steuerhinterziehung in der Schattenwirtschaft? Oder: pro Jahr werden 300 Mrd € vererbt, aber nur 60 Mrd. steuerlich veranlagt. Milliarden-Firmenvermögen sind praktisch steuerfrei.
So könnte doch unser Gemeinderat eine Resolution an die Regierung verabschieden, dass die steigenden kommunalen Ausgaben der sozialen Daseinsvorsorge durch eine gerechte Erbschafts- + und Vermögenssteuer finanziert werden sollen. Vorstellbar, oder? (Forts. folgt)
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Vortrag Kriegsdienstverweigerer in Russland
Heute, Mi, 22.10., 19 Uhr, Glocke. Artem Klyga + Saša Belik wollen nicht in Putins Armee. Gut, oder?

Die Zensurbegründung der Gemeindeverwaltung

Von: Mitteilungsblatt <mitteilungsblatt@kernen.de> 
Gesendet: Montag, 20. Oktober 2025 10:22
An: Bürgermeisteramt Kernen im Remstal <Buero-BM@Kernen.de>; Schindler, Marcel <M.Schindler@Kernen.de>; Lluis, Julia <J.Lluis@Kernen.de>; Mitteilungsblatt <mitteilungsblatt@kernen.de>
Betreff: Ihr Beitrag für das Mitteilungsblatt Kernen

Sehr geehrter Herr Kögel,

vielen Dank für Ihre Einsendung des Beitrags „Den Gürtel enger schnallen? (3)“ zur Veröffentlichung im „Mitteilungsblatt Kernen im Remstal“.

Nach sorgfältiger redaktioneller Prüfung müssen wir Ihnen mitteilen, dass der Beitrag in der vorliegenden Form nicht veröffentlicht werden kann, da er an mehreren Stellen nicht mit den verbindlichen Vorgaben des Redaktionsstatuts übereinstimmt. Diese stellen die Grundlage für alle Veröffentlichungen im Amtsblatt dar.

  1. Fehlender klarer Kernen-Bezug (§ 4.2 Redaktionsstatut)

§ 4.2 legt fest:
„Sämtliche Beiträge müssen einen Kernen-Bezug aufweisen. […] Der Kernen-Bezug muss eindeutig sein oder explizit formuliert werden. Eine allgemeine Thematik, die sich wahrscheinlich auch in Kernen niederschlägt, reicht dafür nicht aus.“

In Ihrem Beitrag werden nahezu ausschließlich bundespolitische Themen behandelt – etwa die Kürzung des Bürgergeldes, Steuervermeidung, Schattenwirtschaft oder Erbschaftssteuer. Der einzige Bezug zu Kernen ergibt sich in einem kurzen Absatz zur Tafel Waiblingen/Endersbach und einem hypothetischen Vorschlag an den Gemeinderat.

Diese Passagen sind jedoch nicht ausreichend konkret oder tragfähig, um als Kernen-Bezug im Sinne des Statuts zu gelten. Es fehlt eine greifbare Verbindung zur kommunalpolitischen Realität in Kernen im Remstal.

Besonders kritisch:
Im persönlichen Gespräch in der vergangenen Woche hatten Sie ausdrücklich zugesichert, in dieser Folge einen expliziten Bezug zu Kernen herzustellen. Dies war Bedingung für den Abdruck der „Folge 2“. Diese Zusicherung wurde nicht eingelöst. Damit entfällt die redaktionelle Grundlage für eine Veröffentlichung.

  1. Verstoß gegen § 5.1 – keine ausschließliche Darstellung eigener Ziele

Gemäß § 5.1 dürfen Parteien im Amtsblatt ausschließlich ihre eigenen politischen Ziele darstellen. Die Kommentierung anderer Gruppen oder politischer Positionen ist nur auf einer sachlichen Ebene zulässig.

In Ihrem Beitrag wird diese Grenze mehrfach überschritten – unter anderem durch:

  • Formulierungen wie „Maßnahmen als Drohkulisse“,
  • rhetorische Fragen („Gut, oder?“),
  • und bewertende Aussagen über die Bundesregierung oder das Steuersystem.

Diese Passagen wirken polemisch und nicht-neutral. Sie widersprechen damit dem sachlichen und toleranten Charakter des Amtsblatts.

  1. Unverhältnismäßiger Anteil bundespolitischer Themen

Das „Mitteilungsblatt Kernen“ ist ein kommunales Informationsmedium. § 1.1 des Redaktionsstatuts stellt klar:

„Das Amtsblatt ist nicht Teil der Meinungspresse.“

Der Beitrag widmet sich zu über 90 % bundespolitischen oder gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Ohne klare Rückbindung an die lokale Ebene ist eine Veröffentlichung in einem kommunalen Amtsblatt nicht zulässig.

Abschließender Hinweis

Selbstverständlich können Sie den Beitrag überarbeiten und mit einem deutlich erkennbaren, kommunalpolitisch verankerten Bezug zu Kernen im Remstal erneut für die Ausgabe KW 44 einreichen. Die Redaktion wird den Beitrag dann neu prüfen.

Wir danken für Ihr Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen
Gemeindeverwaltung Kernen im Remstal
Redaktion Mitteilungsblatt

Unser 1. Antwortschreiben an die Gemeindeverwaltung

From: ebbe.kogel@talk21.com
To: Buero-BM@Kernen.de; b.paulowitsch@kernen.de Cc: S.Baumann@Kernen.de; mitteilungsblatt@kernen.de; corinna.konzmann@t-online.de
Sent: Monday, October 20th 2025, 15:40
Subject: Re: AW: Ihr Beitrag für das Mitteilungsblatt Kernen
 

Sehr geehrter Herr Baumann,

Sehr geehrter Herr Paulowitsch

Ihr Schreiben von heute morgen erreichte mich erst soeben über den Umweg Vorzimmer Bürgermeister. Heute morgen habe ich nichts bekommen. Ich war bis eben gerade bei einer Beerdigung, konnte also nicht früher antworten.

Zu Ihrem Schreiben kann ich folgendes sagen:

Der Bezug zu Kernen ist ganz klar gegeben. Genau in dem Sinne, wie wir es letzte Woche telefonisch besprochen hatten.

Auch in unserer Gemeinde gibt es zahlreiche BürgergeldbezieherInnen. Ich hatte im MB 42-2025 dazu ausgeführt:

„In Deutschland gibt es 5,5 Mio BürgergeldbezieherInnen (3,5 Mio erwerbsfähig), das sind 6,6% der Gesamtbevölkerung. Auf Kernen umgerechnet: bei 15.365 EinwohnerInnen wären dies knapp über 1.000 Personen.“

Das habe ich jetzt diese Woche nicht wiederholt, aber der Bezug zu Kernen ist damit eindeutig gegeben. Oder sollen wir uns als kommunalpolitisch aktive Menschen um diese Bevölkerungsgruppe nicht kümmern?

Ein weiterer Bezug ist dadurch gegeben, dass auf den PFB-Antrag verwiesen wird, die Fahrt zu den Tafelläden von Seiten der Gemeinde.

Der weitere Kernen-Bezug wird hergestellt durch den Vorschlag, eine Resolution an die Bundesregierung von Seiten des GR zu verabschieden, dass nicht bei den Armen gekürzt werden soll, sondern dass die Reichen einen gerechten Anteil bezahlen, wo dann den Gemeinden zugute kommt.

Das wird ein entsprechender Haushaltsantrag des PFB für die Beratungen des Haushalts 2026 sein.

Die gegenwärtige Politik des Bundes schlägt voll auf die Gemeinden durch, wie ja auch der Bürgermeister (und der Vertreter des Gemeindetages) in ihrem MB-Beitrag vor 3 Wochen deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Aber darf dann nur noch ein „Gürtel enger schnallen“-Appell veröffentlicht werden oder auch andere Vorschläge, die Finanznot der Kommunen zu beheben?
Und zu dem Ausdruck „Drohkulisse“ an BürgergeldbezieherInnen gibt es eindeutige Aussagen von Bundeskanzler Merz und anderen PolitikerInnen, dass genau dies bezweckt ist, nämlich diese Drohkulisse aufzubauen. Und Sie stören sich auch an einer rhetorischen Frage? Kann ja nicht Ihr Ernst sein.

Es stellt sich die Grundsatzfrage: was wollen Sie bzw der Bürgermeister für eine Gemeinde? Wo alle still sind und den Mund halten und sagen, was die da oben machen, ist schon in Ordnung Wenn sie uns Wasser predigen und selber Wein trinken? Was ist das für eine Einstellung, in der Sie entscheiden, was in unserer Gemeinde gesagt werden darf und was nicht? Wovor haben Sie Angst? Dass die Menschen, die das lesen, uns zustimmen könnten? Dass gar durch diese kleinen Beiträge im Mitteilungsblatt die Wertegemeinschaft zusammenbricht? Oder wovor haben Sie Angst? Eine Demokratie – und auch der Bürgermeister – muss es doch aushalten, dass es auch abweichende Meinungen in seiner Gemeinde gibt. 

Ich bitte also dringend darum, den PFB-Beitrag in seiner ursprünglichen Form zu belassen

Mit freundlichen Grüßen

PFB

Ebbe Kögel

Unser 2. Schreiben an die Gemeindeverwaltung

From: ebbe.kogel@talk21.com
To: b.paulowitsch@kernen.de; S.Baumann@Kernen.de; buero-BM@corinnakonzmann
20/10/2025 22:40

Sehr geehrte Herren,

ergänzend zu meiner Mail von heute nachmittag möchte ich noch die folgende Presseerklärung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes nachschieben, die mit Anlass war für unseren PFB-Artikel im Mitteilungsblatt. Ich bitte Sie, dies aufmerksam zu lesen. Außerdem hänge ich Ihnen das WKZ-Gespräch von Peter Schwarz an, mit dem Leiter der Erlacher Höhe, Wolfgang Sartorius, zu Armut und Wohnungsnot im Rems-Murr-Kreis. Ähnlich hat sich übrigens auch der Caritas-Chef Marc Dressel geäußert.

Nun kann man natürlich als Bürgermeister die Augen vor all den nackten Armuts-Tatsachen verstecken und die primitiven Populismus der CDU-SPD-Regierung gegen Bürgergeldbezieher und arme Menschen in diesem Land billigen oder gar unterstützen. Man könnte sich aber auch als verantwortungsvoller Bürgermeister mit sozialem Gewissen dieser Propaganda widersetzen und denen da oben sagen, dass diejenigen den Gürtel enger schnallen sollen, die einen dicken Bauch haben. Und nicht auch noch auf die Einkommensarmen dreinschlagen. 
Und dann auch noch Beiträge einer politischen Gruppierung in der Gemeinde zensieren – nein, darf ich ja nicht sagen, einfach nicht abdrucken – die  f ü r  diese Bevölkerungsgruppe, die auch in Kernen einige Hundert Menschen umfasst, Stellung bezieht. Das ist die blanke Ausübung von Macht. Oder, wenn Sie so wollen, kleinlich und undemokratisch. 

Was wollen Sie für eine Gemeinde? Wo tot ist und alle mit dem großen Malstrom schwimmen? Oder wo es eine lebendige Diskussionskultur gibt? Gut, wir sind vielleicht eine Minderheit. Aber eine Demokratie lebt elementar vom Schutz für Minderheiten. Das unterscheidet uns von Putins Russland und all den anderen autoritären Staaten auf dieser Erde.

Gerne können wir darüber mal ein öffentliches Streitgespräch führen.

Mit freundlichen Grüßen

PFB-WV

Ebbe Kögel

Bürgergeld bietet keinen hinreichenden Schutz vor Armut 

https://paritaet-bw.de/presse/pressemitteilungen/buergergeld-bietet-keinen-hinreichenden-schutz-vor-armut

Stuttgart 17.10.2025 

In Baden-Württemberg erhalten im Jahr 2024 rund 517.500 Menschen Bürgergeld. Laut einer heute veröffentlichten Studie des Paritätischen Gesamtverbandes leben in ganz Deutschland im selben Jahr etwa die Hälfte aller Bürgergeldbeziehenden in materieller Entbehrung. Jeder Dritte kann sich nicht einmal jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten, fast jeder Fünfte hat kein zweites Paar Schuhe und die Hälfte kann kaputte Möbel nicht ersetzen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg fordert anlässlich des Internationalen Tags für die Beseitigung der Armut (17.10.), die Regelsätze regelmäßig und armutsfest an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten anzupassen. Die aktuellen Regelsätze reichen nicht aus, um Menschen im Bürgergeld vor materieller Not und Armut zu schützen.

„Wer Bürgergeld in Baden-Württemberg bezieht, ist arm.Die Menschen haben deutlich weniger als die Armutsgrenze. Diese liegt hier für einen Einzelhaushalt bei 1.445 Euro im Monat. Wer bei einem Singlehaushalt durchschnittlichen einen Regelbedarf von 997 Euro hat, bekommt jeden Monat etwa 448 Euro zu wenig. Sie können sich weniger gesund ernähren und haben schlechtere Chancen auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe“, sagt Sabine Wild, Referentin für Armut beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg. Ein solidarisches Land brauche eine Grundsicherung, die die Betroffenen vor Armut und materieller Entbehrung schütze, so Wild weiter. „Armut ist kein persönliches Versagen, sondern ein Zeichen für strukturelle Ungleichheit – besonders in der Wohn- und Familienpolitik. Steigende Lebenshaltungskosten, hohe Mieten und unzureichende Regelsätze bringen immer mehr Familien in Baden-Württemberg in prekäre Lagen. Die Politik muss Armut endlich strukturell begegnen und an den Ursachen bekämpfen. Das geht nur durch soziale Sicherheit und die Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben“, so Wild. 

Die Paritätische Studie zur sozialen Lage von Menschen im Bürgergeld befindet sich unter folgendem Link Expertise_Entbehrungen_2025_web.pdf

Hintergrundinformationen:

Armut in Baden-Württemberg

Auch im wirtschaftsstarken Südwesten bleibt Armut ein strukturelles Problem. So lag die Armutsgefährdungsquote in Baden-Württemberg laut Paritätischem Armutsbericht 2025 bei 13,2 Prozent, was einen Anstieg von 1,8 Prozentpunkten seit 2021 bedeutet. Rund 1,5 Millionen Menschen gelten damit als armutsgefährdet. Besonders betroffen sind hier nach wie vor Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren: rund 14,3% waren im Land demnach in 2024 von Armut betroffen oder akut bedroht – bei einem Anstieg von drei Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.

Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut am 17. Oktober 2025

1992 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen, den 17. Oktober zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut. Ziel ist es, den Widerstand der von Armut betroffenen Menschen gegen Elend und Ausgrenzung zu würdigen, den Notleidenden und ausgegrenzten Menschen Gehör zu verschaffen und sich mit den Allerärmsten dafür einzusetzen, dass die Rechte aller wirklich für alle gelten.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg ist einer der sechs anerkannten Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Er ist konfessionell, weltanschaulich und parteipolitisch unabhängig. Er steht für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe und wendet sich gegen jegliche Form sozialer Ausgrenzung. Ihm sind in Baden-Württemberg über 940 selbstständige Mitgliedsorganisationen sowie rund 50.000 freiwillig Engagierte und 80.000 Hauptamtliche angeschlossen. Weitere Infos unter www.paritaet-bw.de