Zensur – Selbstzensur – Tote Gemeinde?

Wir haben an dieser Stelle schon des öfteren über die „Zensur“ im Mitteilungsblatt der Gemeinde Kernen berichtet. Eine „Zensur“, die wir gar nicht als „Zensur“ bezeichnen dürfen, weil es die ja angeblich gar nicht gibt. Sondern es gibt nur Verstöße gegen das Redaktionsstatut des Mitteilungsblattes der Gemeinde Kernen, das bestimmte politische Aussagen nicht erlaubt. Diese „Verstöße“ werden inzwischen automatisiert durch eine Künstliche Intellegenz (KI) festgestellt und dann den AutorInnen des Beitrags übermittelt. Das ist für Außenstehende sehr schwierig nachzuvollziehen.
Damit die geneigte Leserin/der geneigte Leser zumindest eine Ahnung davon kriegt, um was es sich handelt, dokumentieren wir im Folgenden den Schriftverkehr mit der Gemeinde Kernen wegen unseres PFB-Beitrages für das Mitteilungsblatt 25-2025.
Das Bedenkliche dabei ist, dass offensichtlich angestrebt wird, dass Kernen eine „politisch tote“ Gemeinde wird, in der bestimmte Diskussionen und Meinungsbeiträge nicht mehr gestattet sind, so dass „die da oben“ ungestört durchregieren können.
Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung, zumal sie sich weitgehend unter dem Radar der Dorföffentlichkeit abspielt.

Hier die Dokumentation:

PFB WählerInnenvereinigung fuer Mitteilungsblatt 25-2025 vom 18.6.2025
Ursprüngliche Fassung

Die da oben machen ja doch, was sie wollen (1)
Wie berichtet, sammelten wir letzte Woche Unterschriften für einen Appell an Bundeskanzler Merz, sich endlich dafür einzusetzen, dass die israelische Regierung die Lieferung von Nahrungsmitteln für die zwei Millionen hungernden Palästinenser in Gaza zulässt. Mit einer überraschend hohen Zustimmungsrate, ungefähr 80% der PassantInnen haben unterschrieben. 
Allerdings hatten wir auch Menschen, die gar nicht oder zögerlich unterschrieben haben. Oft mit der Bemerkung: „Es hat keinen Wert, die da oben machen ja doch, was sie wollen“. 
Einige hatten sogar Angst, dass die Unterschrift negative Auswirkungen für sie selbst oder ihre Familie haben könnte.
Das ist sehr bedenklich. Woher kommen diese Einstellungen? Viele bezeichnen sie als Politikverdrossenheit. Wir würden es eher als Politiker-Verdrossenheit bezeichnen. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass „die da oben“, egal ob in Stuttgart, Berlin oder gar Brüssel, weit losgelöst von ihren Alltagsproblemen und -sorgen handeln. Und sich selbst bedienen, sei es bei Masken-Bestellungen oder mit einem Pöstchen, mit dem eine „verdiente“ Politikerin belohnt wird, die aus der Regierung ausscheiden muss.
Und diejenigen, denen es materiell nicht so gut geht, sehen, dass die Reichen immer reicher werden, sie selbst aber finanziell nur noch mühsam über die Runden kommen, angesichts ständig steigender Miet- und Lebensmittelpreise. Dann aber von „denen da oben“ kurz und schmerzlos 800 Mrd.€ für die Aufrüstung beschlossen werden.
Immer mehr PolitikwissenschaftlerInnen sprechen nicht nur von einer unüberwindbaren Krise, sondern gar von einer Rückbildung der Demokratie.
(Forts. folgt)

Ebbe Kögel, PFB-WV


Daraufhin erhielten wir kurz nach Redaktionsschluss die folgende Email von der Gemeindeverwaltung:

Ihr Beitrag für das Mitteilungsblatt Kernen / Die da oben machen ja doch, was sie wollen

mitteilungsblatt(at)kernen.de
To: Eberhard Kögel ;

16/06/2025 10:17

 Sehr geehrter Herr Kögel,
vielen Dank für Ihre Einsendung. Wir haben Ihren Beitrag sorgfältig geprüft.

Leider kann der Beitrag in der aktuellen Form nicht veröffentlicht werden, da er mehrfach nicht mit dem Redaktionsstatut des Mitteilungsblattes Kernen im Remstal vereinbar ist.

Die relevanten Abschnitte lauten:

  1. § 4.1: „Das Mitteilungsblatt gehört nicht zur Meinungspresse.“
    Begründung: Der Beitrag enthält politische Bewertungen, pauschale Aussagen über „die da oben“ sowie Wertungen ohne Differenzierung. Dies widerspricht dem sachlich-informativen Charakter des Amtsblatts.
  2. § 4.2: „Sämtliche Beiträge müssen einen Kernen-Bezug aufweisen.“
    Begründung: Es findet keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der kommunalpolitischen Situation in Kernen statt. Thema ist ausschließlich Bundes- und Außenpolitik.
  3. § 5.1: „Die Berichte müssen sich […] auf die Darstellung der eigenen politischen Ziele beschränken.“
    Begründung: Es werden keine konkreten Ziele der PFB-WV dargelegt. Stattdessen enthält der Beitrag eine allgemeine Kritik an politischen Entscheidungsträgern.
  4. § 3.1: „Beiträge […] dürfen keine Angriffe auf Dritte enthalten.“
    Begründung: Die Darstellung politischer Akteure als eigennützig und machtfern stellt eine pauschale und unsachliche Kritik dar.

Wir danken für Ihr Verständnis. Gerne können Sie eine überarbeitete, sachliche Version mit Bezug auf kommunale Themen einreichen. In diesem Fall erfolgt eine erneute Prüfung.

Mit freundlichen Grüßen
Gemeindeverwaltung Kernen im Remstal
Redaktion Mitteilungsblatt


Wir haben dann eine neue Version geschrieben, um 12.40 Uhr dann auch so eingestellt wurde

„Die da oben machen ja doch, was sie wollen“ (1)

Zum Selbstverständnis des Parteifreien Bündnisses PFB gehört auch – gemäß unserem Motto „Global denken, lokal handel bzw. Global handeln, lokal denken“ – die Beschäftigung mit politischen Ereignissen, die nicht hier stattfinden, aber doch Auswirkungen auf unser Leben haben. Wenn z.B. wegen der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten Millionen von Flüchtlingen zu uns kommen, dann hat das sehr wohl Auswirkungen auf die Kommunalpolitik.
Deshalb haben wir vorletzte Woche in Stetten Unterschriften gesammelt gegen den Hungertod in Gaza. Sie wurden an den Bundeskanzler geschickt, mit der Aufforderung, sich dafür einzusetzen, dass die Hilfslieferungen von Nahrungsmitteln und Medikamenten in den Gaza-Streifen wieder ermöglicht werden. Eine Antwort haben wir noch nicht erhalten. 
Eine Erfahrung bei der Unterschriftensammlung war, dass viele Menschen gesagt haben: „Es hat ja keinen Wert zu unterschreiben, die da oben machen ja doch, was sie wollen“. Einige hatten sogar Angst, dass die Unterschrift negative Auswirkungen für sie selbst oder ihre Familie haben könnte.
Woher kommen diese Einstellungen? Wie kommt es, dass immer mehr Menschen das Gefühl haben, dass „die da oben“, egal ob hier, in Berlin oder gar Brüssel, weit losgelöst von ihren Alltagsproblemen und -sorgen handeln.
Immer mehr Menschen haben darüberhinaus finanzielle Sorgen, angesichts ständig steigender Miet- und Lebensmittelpreise.
Mehr dazu im nächsten MB bzw. auf unserer Webseite www.pfb-kernen.de

Ebbe Kögel, PFB-WV

Verstehen Sie das Ganze?

Bilder der Zerstörung aus Gaza – und die Bombardierung
geht ständig weiter. Plakat Palästina-Komitee Stuttgart,
Juni 2025

Zu Gaza noch ein Leserbrief, den die WKZ am 17. Juni 2025 veröffentlicht hat:

12. Juni 2025

Leserbrief zum Bericht der WKZ vom 12.6. über Unterschriftenaktion gegen Hungertod in Gaza + Kommentar Schwarz vom 7.6. „Vom Versiegen der Argumente“

Verhungernde Menschen sterben still und leise

Menschen, die verhungern, sterben still und leise. Sie haben keine Kraft mehr zum Schreien. Und selbst wenn sie noch schreien könnten, wer würde sie hören? Unsere verantwortlichen PolitikerInnen in Berlin, die Ohren und Augen verschließen vor dem, was in Gaza passiert, obwohl ihnen die Berichte ihrer Geheimdienste jeden Tag Beweise liefern, jenseits der israelischen Nachrichtensperre?

Unsere Regierung verschließt Ohren und Augen vor den Tatsachen, die in Gaza geschaffen werden. Haben die Verantwortlichen kein christliches Gewissen, wenn sie sehen, was dort passiert? Im Namen einer wie immer gearteten Staatsräson (wo niemand so genau weiß, was das eigentlich sein soll) wird die Politik der israelischen Regierung unterstützt, die die systematische Zerstörung der Lebensgrundlagen der Palästinenser zum Ziel hat. Und letzten Endes deren Vertreibung von ihrem Land, das sie und ihre Vorfahren seit Hunderten von Jahren bewohnen und bebauen. In immer mehr Ländern dieser Welt wird dies als das bezeichnet, was es ist: ethnische Säuberung und Völkermord.
Ob die Verantwortlichen der WKZ sich endlich auch getrauen, diese Bezeichnungen abzudrucken?

In immer mehr Ländern dieser Welt gibt es Massendemonstrationen gegen die Vernichtungspolitik der israelischen Regierung, die im übrigen auch den Tod der Geiseln zur Folge haben wird.

Bei unserer Unterschriftensammlung gegen den Hungertod in Gaza letzte Woche gab es überwältigende Zustimmung aus der Bevölkerung. Ob das bei den Verantwortlichen irgendwie ankommt?