Beitrag PFB-WählerInnenvereinigung für Mitteilungsblatt Kernen KW 23-2025 vom 4.6.2025
Am vergangenen Sonntag wurde auf und entlang der Straße zwischen Stetten und Rom „50 Jahre Kernen“ gefeiert. Leider durch die Wetterereignisse vorzeitig beendet. Viele Vereine und Organisationen machten mit, viele Menschen aus beiden Ortsteilen waren unterwegs.
In den Verlautbarungen zum Jubiläum war viel die Rede davon, dass der Zusammenschluss der vorher selbstständigen Gemeinden ein Erfolgsmodell geworden sei. Es war allerdings ein Zwangszusammenschluss und die Frage stellt sich: war er notwendig?
In einer Sendung von SWR2 Forum vom 19.5.25 „Das gefährdete Dorf – Wie retten wir das Landleben?“ sagte Werner Bätzing, Autor des Buches „Das Landleben – Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform“ dazu: „Die Gemeindereform hat viel Verbitterung erzeugt, da sie mit einem Verlust von Eigenständigkeit verbunden war. Es war der Versuch der Politik, das Land durchgreifend zu modernisieren und nach städtischen Grundsätzen zu organisieren. [Anm. PFB: Ziel war ebenfalls, die Zahl der Mandate der Freien Wähler in den Gemeinderäten zu verringern und die der Parteien zu erhöhen. Hat funktioniert].
[Hinweis: In der Klammer stand ursprünglich der Satz: „und die Macht der Freien Wähler in den Gemeinderäten zu brechen bzw. die Macht der Parteien zu stärken“. Diese Formulierung wurde allerdings vom Rathaus nicht akzeptiert und musste „abgeschwächt“ werden. Nichtsdestotrotz ist die Aussage in beiden Formulierungen richtig. Im Kernener Gemeinderat „regieren“ heutzutage die Parteien CDU/SPD/FDP/Grüne – wir zählen die OGL zu den Parteien, auch wenn es formaljuristisch eine Wählervereinigung ist. Von 22 Gemeinderäten gehören nur 7, also grad ein Drittel, zu den „Freien Wählern“, also UFW mit 4, jeweils 1 PFB, OLK und BZG. Vor 50 Jahren gehörten vom Gemeinderat Stetten gerade mal 2 Volksvertreter einer Partei an).]
Bei Eingemeindungen bleibt die dörfliche Demokratie auf der Strecke“.
Statt Großstrukturen zu schaffen und die Verstädterung zu forcieren, wäre es besser gewesen, dörfliche Identitäten in überschaubaren Einheiten zu bewahren bzw. zu stärken. Was ja einer überörtlichen Zusammenarbeit, z.B. bei Schulen und Kläranlagen, nicht entgegenstehen muss.
Und der „Emiilabuggl“ [= Olmühlenbuckel, wie wir früher sagten, wg. der ehemaligen Ölmühle auf der Hangweide] zwischen Stetten + Rom ist sowohl ein trennendes wie ein einigendes Band.
[Nachbemerkung: Das „Zusammenwachsen“ von Rom und Stetten über diese Landesstraße wird nicht funktionieren. Auch nicht durch die Bebauung der Hangweide. Sofern diese überhaupt im vorgesehenen Umfang stattfinden wird. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Hangweide als Satellit von Rommelshausen abgekoppelt bleibt und kein organisches Zusammenwachsen stattfindet.]
Zum Nachdenken.
Siehe dazu auch den Leserbrief an die WKZ zum Bericht «Festakt zu 50 Jahren Gesamtgemeinde“ vom 3.2.2025
Nur nette Anekdoten über Zwangseingemeindung?
In seiner launigen Rede beim Festakt „50 Jahre Kernen“ im Bürgerhaus erzählte der Bürgermeister nette Anekdoten aus Gemeinderatsprotokollen über die „Fusion“ von Stetten und Rom Anfang der 1970er Jahre.
Widerspruch: es war keine „Verschmelzung“, was Fusion auf Deutsch bedeutet, sondern eine Zwangseingemeindung! Und zwar gegen den erklärten Willen von 90% der Stettener Bevölkerung, der bei einer Bürgeranhörung zum Ausdruck kam. Dann gab es – neben den verletzten Gefühlen – ernstzunehmende Opposition gegen die Ziele der von oben durchgedrückten Gemeindereform: 1. besseres Durchregieren der Zentralmacht (Regierung und Behördenapparat) durch Verringerung der zu regierenden Einheiten/Dörfer. 2. Brechung der Macht der „störrischen“ Freien Wähler in den Gemeinderäten zugunsten der Macht der Parteien und ihrer Apparate. Hat hervorragend funktioniert, wenn wir uns damals und heute die Zusammensetzung der Gemeinderäte angucken. 3. Zerstörung der Identität der kleineren Einheiten, zugunsten einer Vereinheitlichung von Denken und Fühlen, zum Abschleifen von Ecken und Kanten. Als „Ersatz“ wurde uns ein Heimatmuseum geschenkt.
Nun meinte der Bürgermeister, er habe über die damaligen Auseinandersetzungen nur wenig im Internet gefunden. Es gibt jedoch zahlreiche Dokumente und eine reiche Literatur darüber. U.a. ein ausführlicher Artikel aus dem 1. Band der „Ruhestörung“ (Geschichte des selbstverwalteten Jugendzentrums) über den Stettener Kampf gegen die Eingemeindung. Dieser Artikel lag dem Rathaus auch vor.
Ebbe Kögel
Der im Leserbrief angesprochene und 1994 veröffentlichte Artikel aus „Ruhestörung“ Band 1 über die Gemeindereform und den (letztendlich) vergeblichen Widerstand gegen den Zwangszusammenschluss: