Geld und Liebe – Vortrag von Annika Peters

Gedächtnisprotokoll

Dienstag, 2. April 2019, Museumskeller

(Power Point Vortrag vorhanden)
28 BesucherInnen. Überwiegend Frauen, vereinzelt auch mit ihren Töchtern.
Die Frauenfinanzberatung in Stuttgart gibt es seit 20 Jahren.
Frau Peters ist seit 2 Jahren dabei und hat vorher bei einer Bank gearbeitet.

Der Vortrag startet mit einem Foto über ein romantisches „Date“ [Verabredung]. Danach stellt sich die Frage: Wer zahlt die Rechnung? Er? Sie? Gemeinsam?

Das Problem ist, dass in dieser romantischen Phase in der Regel nicht über Geld gesprochen wird. Das erweist sich dann als später als großer Fehler. Wenn die Romantik weg ist und es um harte Fakten bzw. um die Finanzen geht.

Ein Blick zurück in die Geschichte

  • Bis 1958 wurde das Vermögen der Frau vom Mann verwaltet
  • 1962 Frauen dürfen eigenes Konto eröffnen
  • Nach 1969: verheiratet Frau wird als geschäftsfähig angesehen
  • 1977: Arbeiten ohne Erlaubnis des Ehemanns
  • 2004: erste Frau in einem Dax-Vorstand
  • 2005: erste Bundeskanzlerin.
  • 2018: Frauen haben nur zu 75% die gleichen wirtschaftlichen Rechte wie Männer

Es folgt ein ausführlicher statistischer Teil (auf Grundlage von Zahlen des Stat. Bundesamtes)

Zuerst mal eine erschreckende Zahl bzw. Tatsache: Altersarmut ist weiblich. 70% aller Rentnerinnen bekommen weniger Rente wie Hartz IV.

Es gibt 3 verschiedene Entwicklungen, die in Betracht gezogen werden müssen:

  1. Gender Pay Gap
    Das ist der Unterschied bei den Verdiensten von Männern und Frauen. Er liegt bei 21%.
    Wenn gleiche Tätigkeiten miteinander verglichen werden, liegt er immer noch bei 6%.
    Nun könnte mensch sagen: ja gut, 6%, das ist doch vernachlässigbar. Wenn wir das in nackte Zahlen umrechnen, sieht das aber anders aus. Der durchschnittliche Arbeitslohn in Deutschland beträgt 39.000 Euro/Jahr. 6% davon sind 2360 Euro. Rechnen wir das hoch auf 65 Erwerbsjahre, dann sind das über 100.000 Euro! (ohne Zins und Zinseszinseffekt).
  2. Gender Wealth Gap
    Das ist der Unterschied im Vermögen von Männern und Frauen: Dieser liegt bei 38%. Und er wird noch größer. Männer haben durchschnittlich ein Vermögen von 94.000 Euro, Frauen von nur 60.000 Euro. (Das liegt u.a. daran, dass Frauen weniger in Aktien und Immobilien investieren und ihr Geld auf dem Girokonto oder einem Sparkonto mit gegenwärtig 0% Zinsen lassen).
  3. Gender Pension Gap
    Dieser ist am erschreckendsten und liegt bei über 40%. So erhalten Männer eine durchschnittliche Altersrente von 1154 Euro/Monat, Frauen dagegen nur 634 Euro/Monat. Ähnlich sieht es bei Betriebsrenten und bei privaten Rentenversicherungen aus. (Quelle: DIW Wochenbericht 43/2017, Zahlen von 2012)

    Wenn wir dazuhin bedenken, dass Frauen wesentlich länger leben, dann wirkt sich dieser Unterschied noch gravierender aus.

Woher kommen diese Unterschiede?
Es liegt vor allem daran, dass Frauen weniger erwerbstätig arbeiten. 40% aller Mütter sind nicht erwerbstätig. Das heißt aber nicht, dass sie weniger arbeiten. Ganz im Gegenteil. Denn nach wie vor obliegt ihnen zum Großteil die Hausarbeit, die Betreuung der Kinder und immer mehr auch die Pflege von Eltern und Schwiegereltern. Dies ist in der Regel unbezahlt.

Wegen dieser Betreuungsaufgaben arbeiten Frauen in der Regel in Teilzeit. Das bedeutet: weniger Verdienst. Außerdem werden arbeitende Ehefrauen durch die Steuerklassenregelung benachteiligt. Wobei die Frage Teilzeit oder Vollzeit sehr stark auch von den Betreuungsmöglichkeiten abhängt. Und hier gibt es erstaunliche Unterschiede: Während in Brandenburg die Betreuungsquote bei 57% liegt, erreicht sie in Baden-Württemberg gerade mal die Hälfte, nämlich 28%.

Annika Peters: Es gibt zwar immer mehr Väter (allerdings statistisch gering), die Elternzeit nehmen oder sich um den Haushalt kümmern.

„Eine wirkliche Gleichberechtigung wird es aber erst geben, wenn der junge Vater bei einem Bewerbungsgespräch gefragt wird, wie er denn den Job und die Betreuung von 3 Kindern unter einen Hut bringen will.“

Ein Teil der Ungerechtigkeit kommt von unserem Rentensystem. Dies beruht auf sog. Entgeltpunkten. So gibt es pro Jahr einen Entgeltpunkt, wenn mensch einen durchschnittlichen Jahresverdienst von 39.000 Euro hat. Wer mehr verdient, kann max. 2,1 Entgeltpunkte pro Jahr erhalten.

Wer darunter verdient, bekommt entsprechend weniger Entgeltpunkte.


Vergleichen wir nun die „Karrieren“ von 2 Frauen
Sie starten gleich mit Ausbildung, Studium und einer ersten Arbeitsstelle. Dann bekommt die eine 1 Kind und bleibt 3 Jahre zuhause, die andere bleibt im Beruf und arbeitet Vollzeit.
Für Kindererziehungszeiten gibt es max. 1 Entgeltpunkt pro Jahr. Bei 3 Jahren also 3 Entgeltpunkte. Eine Frau, die stattdessen Vollzeit arbeitet, hätte aber 6 Entgeltpunkt für die Rente „verdient“.
Nach den Kindererziehungszeiten arbeitet unsere Beispielmutter dann in Teilzeit – oft aber nicht mehr in ihrem erlernten Beruf, weil sich dies mit den Betreuungszeiten in Kindergarten und Schule nicht vereinbarten lässt.
Bei einer 50%igen Teilzeittätigkeit von 6 Jahren ergibt sich im Vergleich zu einer Vollzeit tätigen Frau ein Minus von 1,5 Entgeltpunkten.
Dies bedeutet bei Renteneintritt einen Unterschied bei der Monatsrente von fast 400 Euro!!
Wenn nun noch ein weiteres Kind oder die Übernahme der Pflege der gebrechlichen Eltern dazukommt, wird der Unterschied noch viel größer.

Hier folgt nun das engagierte Plädoyer von Frau Peters: Bei Eheschließung sollte von Anfang an vertraglich (per Ehevertrag) ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden, der die oben beschriebenen Nachteile bei der Rente ausgleicht! Zum Beispiel: wenn einer mehr verdient, dann soll er auch mehr Miete zahlen!
Immerhin liegt die Scheidungsrate in den Städten bei 50%, auf den Dörfern ist sie mit 30% niedriger. Inzwischen gibt es ja für Frauen keinen nachehelichen Unterhalt mehr.
(Dank Frau Zypries von der SPD).
„Einmal Zahnarztgattin, immer Zahnarztgattin gibt es nicht mehr!“

Der 1. Schritt für eine Änderung ist die Schaffung eines entsprechenden Bewusstseins bei Männern. Und Frauen!

Das geht nur, wenn Mensch sich gegen gesellschaftliche Konventionen stellt:
Ein Mann, wo daheimbleibt und zum Beispiel einen Kinderwagen schiebt oder ein Baby wickelt, wird als Weichei oder Schmarotzer (Kindergeld abzocken!) angeguckt.
Eine Mutter, wo arbeiten geht, wird als Rabenmutter oder karrieregeil angeguckt, weil sie ihr Kind in die Kita „abschiebt“.


Frau Peters empfiehlt 10 Schritte zur finanziellen Unabhängigkeit, an deren Ende dann eine gleichgewichtige und gleichberechtigte Partnerschaft bzw. eine ausreichende Absicherung der Frau im Alter stehen kann.

  1. Existenzrisiken absichern
  2. Schulden zurückzahlen
  3. Notfallpolster anlegen
  4. Rentenbescheide (kommen jedes Jahr) anschauen
  5. Rentenlücke berechnen
    – vor allem unter Berücksichtigung der Inflation.
    100.000 Euro auf dem Girokonto am 1. Januar sind am Ende des Jahres nur noch 98.000 Euro wert
  6. Kassensturz: Alle Einnahmen und Ausgaben auf den Prüfstand. Haushaltsbuch führen
  7. Investieren. Sparpläne. Risiken streuen
  8. Förderungen mitnehmen
  9. Mit dem Partner über Geld reden.
    Ebenso mit Freundinnen und Kolleginnen. Und einer unabhängigen Beraterin.
  10. Jetzt anfangen!

Seminare und Beratungsangebote gibt es unter
www.frauenfinanzberatung.de
Frauenfinanzberatung
Rotebühlplatz 1
770178 Stuttgart

Aus der Diskussion
Frau Peters hatte vor kurzem eine Frau in der Beratung, die es geschafft hat, von ihrem Mann einen Ausgleich von 1.000 Euro im Monat zu bekommen.
Sie hatte auch eine Krankenschwester, die es trotz ihres niedrigen Gehalts geschafft hat, 400 Euro im Monat auf die Seite zu legen. Voraussetzung dafür ist aber auch eine Änderung des eigenen Konsumverhaltens. (Sagt vor allem Frau Helma Sick bei ihren Vorträgen „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“)

Der Rückgang der Geburtenrate hat auch mit den Ungerechtigkeiten bei der Bezahlung bzw. der finanziellen Absicherung der Frauen zu tun.
Neu ist auch die Verpflichtung zum finanziellen Unterhalt pflegebedürftiger Eltern.

In der Schweiz sind Unternehmen verpflichtet, für die Altersvorsorge ihrer MitarbeiterInnen zu sorgen.

Viele Frauen geben bei der Heirat ihr eigenes Konto auf. Eine gemeinsame EC-Karte ist aber schnell gesperrt, wenn der Rosenkrieg angefangen hat.
Vor der Eheschließung sollten die finanziellen Belange vertraglich geregelt werden. Sie sind auch auf Hochzeitsmessen unterwegs mit ihrem Beratungsangebot.

Im Dorf hier „Kampf zweier Linien“ zwischen Mütter, wo daheimbleiben und den Berufstätigen. Traditionelles Familienmodell gegen Mütter, die arbeiten. Hat sich z.B. bei der Diskussion um eine Ganztagsgrundschule vor einigen Jahren gezeigt.
Die Kommunalpolitik müsste hier auf neue Bedürfnisse reagieren.
Es kann nicht sein, dass „alte weiße Männer“ über die Bedürfnisse von jungen Frauen entscheiden. (Ähnlich wie bei den Klimademos).

Beide Modelle sollten gleichberechtigt nebeneinanderstehen können!

Helga Mutschler
Als sie vor 20 Jahren Kinder gekriegt hat, hatte der Kindergarten von 8 bis 12 und von 14 bis 16 Uhr offen. Und die Kinder mussten pünktlich abgeholt und gebracht werden.
Von 30 Frauen aus ihrer Kindergartengruppe haben nach der Kinderzeit nur noch 2 in ihrem vorher erlernten Beruf gearbeitet.
Das ist volkswirtschaftlich eine enorme Verschwendung, vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels.

Fazit Annika Peters 
Frauen brauchen mehr Solidarität untereinander.
Sie müssen auch mehr Frauen in Parlamente wählen. Wir brauchen auch mehr Frauen in Führungspositionen. Frauen brauchen mehr Selbstbewusstsein.
(Wie im eingangs gezeigten Sketches von Carolin Kebekus).

Warum soll nicht der Mann auf 80% reduzieren?
Wenn die Kita anruft, dass das Kind krank ist und abgeholt werden muss, einfach mal sagen: Rufen Sie meinen Mann an, der holt das Kind ab.
Auch Männer müssten bei der Arbeit sagen: ich muss mich um meine Familie kümmern.

Langanhaltender Beifall für die Referentin!


Ein weiterer Vortrag zum Thema wird am Dienstag, 17.09.2019 von der Allmende Stetten e.V. veranstaltet.

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